Bedingt durch die zunehmende Anzahl von Gewalttaten rücken die damit in Verbindung stehenden Delikte wie Bedrohungen, Übergriffe, Nötigung, Erpressung, Geiselnahmen und Amoktaten immer mehr in den Fokus. Insbesondere an (öffentlichen) Einrichtungen mit Publikumsverkehr wie Bibliotheken, Ämtern, Rathäusern, Kanzleien, Versorgungseinrichtungen und Arztpraxen, aber auch an Schulen, Berufsschulen und Hochschuleinrichtungen sollte das Thema Bedrohungsmanagement längst umgesetzt sein.
Doch das theoretische Wissen um die Risiken wird oftmals gar nicht oder nicht ganzheitlich in die Praxis geführt. Die Ursachen dafür sind vielschichtig – mangelnde Kenntnisse der präventiven Möglichkeiten, fehlende Unterstützung bei der Schaffung von Resilienzen, fehlende fachliche und finanzielle Ressourcen oder gar die Ignoranz dem Thema gegenüber.
Insbesondere bei Schulen, Berufsschulen und universitären Einrichtungen wie Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten rückt das Thema „Amoktaten innerhalb der Einrichtungen“ und damit immer in Verbindung stehend die DISKREPANZ zwischen „VERBARRIKADIEREN UND DAS GEBÄUDE NICHT VERLASSEN“ anstelle der „FLUCHT“ wie im Brandfall, immer mehr ins Blickfeld.
BEDROHUNGSLAGEN UND DEREN GEFÄHRDUNGSKLASSEN
Die aktuelle Bedrohungslage umfasst die folgenden Delikte, die sich „grob“ in drei Gefährdungsklassen einteilen lassen. Einige Delikte fangen unbedeutend an und können sich entwickeln, andere wiederum stehen für sich.
Die Bedrohungslage legt nahe, wie wichtig PRÄVENTION, FRÜHERKENNUNG und bereits der UMGANG mit beispielsweise einer Amokandrohung ist – die bereits gemäß § 126 StGB strafbar ist. Diese drei Faktoren können jedoch nur wahrgenommen werden, wenn sich alle Instanzen im jeweiligen Verantwortungsbereich ausführlich mit solchen Ereignissen und deren Tatfolgen beschäftigen, um für sich und ihren Verantwortungsbereich notwendige Vorkehrungen zu treffen, um im Ereignisfall eine hohe Handlungssicherheit zu erzielen.
DER BEDROHUNG MIT OFFENEN AUGEN UND INFORMATION BEGEGNEN
Bereits bei signifikanten Auffälligkeiten sollte ein ständiger vertrauensvoller Informationsaustausch zwischen Einrichtung und der zuständigen Polizeiinspektion erfolgen. Dies betrifft insbesondere
Die Bewertung einer potenziellen Bedrohungslage obliegt der Polizei. Denn nur mit Hilfe von polizeilichen Maßnahmen sind zielgerichtete Präventiv-/Repressivmaßnahmen möglich. Als Unterstützung bei der Einschätzung könnte beispielsweise ein Dynamisches Risiko-Analyse-System (DyRiAS®) unterstützen.
Eine Bewertung der Situation kann jedoch nur erfolgen, wenn die Kenntnisse einer möglichen Bedrohung die richtigen Stellen erreichen. Dies kann über den
erfolgen. Die Möglichkeiten der Absetzung einer Beobachtung/Meldung und auch die potenziellen Meldungsinhalte/ Szenarien sollten allen Personen, die an der Einrichtung agieren, bekannt sein und regelmäßig ins Gedächtnis gerufen werden. Auch mit Falschmeldungen/Gerüchtebildungen sollte professionell umgegangen werden, um einer Eigendynamik entgegenzuwirken.
GRUNDSÄTZLICH SOLLTE ES KLARE GRENZEN GEGENÜBER JEDWEDEN FORMEN VON INAKZEPTABLEM VERHALTEN (SOWOHL VERBAL, PHYSISCH ALS AUCH DIGITAL) GEBEN. TOTSCHWEIGEN IST AN DER STELLE KONTRAPRODUKTIV, DA EINE SOLIDARISCHE AUFARBEITUNG VON SICHERHEITSVORFÄLLEN AUF BREITER BASIS ERFOLGEN SOLLTE.
AMOKTATEN – RISIKOFAKTOREN UND ANDROHUNGEN ERNSTNEHMEN
Amoktaten ereignen sich in höchst unterschiedlicher Form, wobei sich auch die Motivlage selbst unterscheidet. Es wird davon ausgegangen, dass Amoktaten den Schlusspunkt einer krisenhaften Entwicklung bilden, dem meist sich gegenseitig beeinflussende Ursachen zugrunde liegen.
AMOKTAT: DEFINITIONSVERSUCH UND PHÄNOMENOLOGIE
In der wissenschaftlichen Begriffsdefinition beinhaltet eine Amoktat die folgenden Merkmale:
Eine polizeiliche Studie hat bestimmte persönliche Faktoren ermittelt, die als Risikofaktoren (Warnsignale) gelten können:
Im Hinblick auf die Sicherungsmaßnahmen gibt es organisatorische/verhaltensorientierte Maßnahmen und Ansätze, die durch technische Sicherheitseinrichtungen begleitet/unterstützt werden. Beide Maßnahmen müssen sinnvoll ineinandergreifen, um ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten – auch wenn eine 100%ige Sicherheit nicht realisierbar ist. Funktionieren kann dies nur, wenn allen Beteiligten die Maßnahmen geläufig sind und eine stete Sensibilisierung stattfindet, um bestmögliche Handlungssicherheit zu erlangen.
EINER BEDROHUNGSLAGE MIT ORGANISATORISCHEN MASSNAHMEN BEGEGNEN
Ein krisenbehaftetes Ereignis bedarf einer von der täglichen Struktur losgelösten besonderen Aufbau- und Ablauforganisation (BAO).
1. KRISENSZENARIEN
Die Szenarien, in denen ein Krisenteam tätig werden sollte, müssen definiert und mit beispielhaften Ereignisfällen belegt werden. Szenarien-Beispiele: Brand, Kriminalität, Gesundheit, Naturereignisse, externe Einflüsse, Gebäudeausfall, Ausfall von Versorgungseinrichtungen oder IT-Infrastruktur.
2. KRISENTEAM
Neben der präventiven Vorbereitung (Gewalt- und Krisenprävention) zählt im Ereignisfall die Intervention zu den wesentlichen Aufgaben des Krisenteams.
3. NOTFALLORDNER
Sämtliche definierte Maßnahmen sollten in einem Notfallordner zusammengefasst sein. Dieser sollte neben dem Themenkomplex „Amoktat“ auch andere Bedrohungslagen und Szenarien mit entsprechenden Schemata und übersichtlichen Handlungsempfehlungen abbilden.
4. ALARMIERUNGSMÖGLICHKEITEN KRISENTEAM
Ereignismeldungen (auch Androhungen) können aus unterschiedlichsten Quellen die Einrichtung erreichen und müssen dann entsprechend weiterverarbeitet und bewertet werden.
5. ALARMIERUNGSMÖGLICHKEITEN GEBÄUDE
Für die Alarmierung innerhalb der Gebäude sollten klar unterscheidbare Alarmsignale definiert werden. Im Falle einer Amoktat, die mit einer gesonderten Alarmierung und Signalgebung einhergeht, ist die oberste Botschaft, in den sicheren Bereichen zu verbleiben und das Gebäude nicht zu verlassen.
Falls dies gefahrlos möglich ist, sollten Lautsprecheranlagen genutzt werden, um den Täter zu irritieren und ggf. zu verunsichern und alle anderen Personen zu ermutigen, sich in Sicherheit zu bringen. Hierbei wäre wichtig, diese von dislozierten Stellen/Gebäudeteilen absetzen zu können und ggf. auch eine Alarmweiterleitung an die benachbarten Gebäude/Einrichtungen zu ermöglichen.
Auch die Aspekte der Krisenkommunikation und Opferbetreuung/Opfernachsorge und die psychosoziale Notfallversorgung im Akutfall dürfen nicht zu kurz kommen. Das Wichtigste ist jedoch die Prävention, indem
Für eine akustische Lautsprecheranlage empfiehlt sich die DURCHSAGE ALS KLARTEXTMELDUNG mit einer oder mehreren hinterlegten Bandansagen alle 2 Minuten. Diese Bandansage sollte den Beschäftigten geläufig sein und automatisch entsprechende Handlungen und Maßnahmen nach sich ziehen.
Auch eine ENTWARNUNGSDURCHSAGE sollte definiert werden, die dann wiederum die Beschäftigten dazu auffordert, beispielsweise aus den Fenstern zu sehen, bei vorab definierten Telefonnummern Rückfragen zu stellen oder bei zweifelsfreier Lagebeendigung (durch die Polizei) die Türen zu öffnen.
10 TECHNISCHE MASSNAHMEN, DIE BEI BEDROHUNGSLAGEN UNTERSTÜTZEN KÖNNEN
Neben den organisatorischen Abläufen, in die sich eine „federführende“ Person sehr tief hineindenken muss und in diesem Rahmen auch sämtliche Eventualitäten zumindest kurz andenken sollte, spielen natürlich auch die sicherheitstechnischen Möglichkeiten eine Rolle, um einen Täter an der Tatausführung zu hindern, den Täter zu „verfolgen“ und die Tat entsprechend zu rekonstruieren. Sicherheitstechnische Maßnahmen sind anhand der Personenströme, Nutzer/Abläufe und getroffenen Annahmen zu planen und ganzheitlich bzw. auch jedes Gebäude für sich im Verbund mit den definierten Prozessen zu betrachten.
Träger, Leitungen und Beschäftigte von beispielsweise Schulämtern sehen sich mehr denn je in der Verantwortung, die Sicherheit an Bildungseinrichtungen zu erhöhen. Bei der Umsetzung stehen sie jedoch oft vor großen Herausforderungen, denn das „Wie“ ist entscheidend und hierzu bedarf es einer individuellen fachkundigen Herangehensweise. Denn zur Verhinderung von Amok- und Gefahrensituationen gibt es keine Patentlösung, da jede öffentliche Einrichtung andere bauliche, technische, personelle und organisatorische Voraussetzungen besitzt, die ganzheitlich und fachkundig betrachtet werden sollten.
UNTERSTÜTZUNGSMÖGLICHKEITEN