Auch wenn sich die Sicherheitslage in Südamerika in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, sind Korruption und Organisierte Kriminalität (OK) immer noch weit verbreitet. Auch wenn Touristen nur äußerst selten von Schutzgeldforderungen betroffen sind, können diese Unternehmen und Non-Governmental-Organizations (NGOs) zum Verhängnis werden. Im Folgenden werden einige bewährte Verfahren dargestellt, mit denen Organisationen das Risiko von Schutzgeldforderungen minimieren können, um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten.
WELCHES BILD ENTSTEHT IM KOPF, WENN DIE GEDANKEN NACH SÜDAMERIKA SCHWEIFEN?
KARTELLKRIEGE ⋅ KOKA-PLANTAGEN ⋅ AUFTRAGSKILLER ⋅ GEWALT ⋅ WAFFEN ⋅ DROGEN ⋅ SCHMIERGELD
BEKANNTERMASSEN FOLGT AUF GEWALT GEGENGEWALT
Gegen Gedanken und somit zum Teil auch Vorurteile anzukommen ist schwierig… aber in den letzten Jahren hat sich einiges geändert, da die Regierungen aktiv geworden sind und der Fokus beispielsweise auf die Ausbildung und Unterstützung der Jugend gelegt wurde, um sie von der Straße zu holen: Der damals schwer umkämpfte Distrikt „Comuna 13“ in Medellín (Kolumbien) ist heutzutage beispielsweise ein Szeneviertel, in dem sich Kunstateliers, Restaurants und Tanzschulen angesiedelt haben. Ehemalige Drogendealer sind Bierbrauer mit eigener Bar oder Stadtführer für Touristen geworden. Auch in den Favelas von Rio de Janeiro ist heutzutage weitestgehend Ruhe eingekehrt. Statt harter Drogen wird inzwischen Eis an Touristen verkauft. Trotz der Meldungen über Verhaftungen namhafter Kartellmitglieder sind die Narcos (Anm. der Redaktion: umgangssprachliches Wort für Drogendealer) noch längst nicht verschwunden. Auch wenn man als aufmerksamer Tourist in den Städten Südamerikas nicht zwangsweise unsicherer unterwegs ist als in Europa oder Nordamerika, erinnern mit Granaten und Gewehren bewaffnete Latinos in den Straßen der Favelas und Comunas immer noch an die Existenz und den Einfluss der Drogenkartelle.
Die Polizei ist in den 90ern und 2000ern verstärkt gegen die Drogenkriminalität vorgegangen. Wir kennen aus dem Fernsehen häufig nur die gewalttätigen Auseinandersetzungen wie die spektakuläre Jagd Pablo Escobars über die Häuserdächer von Medellín.
NEUER FRIEDEN ZWISCHEN STAAT UND KARTELLEN MACHT VIELES MÖGLICH
Um diesen recht frischen Frieden zwischen Staat und Kartellen aufrecht zu erhalten, zahlen die Bewohner mancher Kommunen Steuern an den Staat und ans Kartell. Wie das geht? Die Drogendealer beobachten bzw. lassen die Einwohner beobachten. Dadurch wissen sie ähnlich viel wie die Steuerbehörden: Sie wissen, welcher Tätigkeit eine Person nachgeht, schätzen, was sie damit verdienen können und verlangen dementsprechend Abgaben, z. B. drei Prozent Einkommenssteuer, wie bspw. in der Comuna 13 praktiziert. Dieses Vorgehen wird durchaus von der Regierung geduldet, weil es „Frieden“ für die Bevölkerung bedeutet. Die Drogenkartelle konnten sich in den letzten Jahrzehnten - denen langwierige Anti-Drogenkriege vorausgingen - derart etablieren, dass es inzwischen fast unmöglich ist, diesen komplett das Handwerk zu legen. Der steigende Absatz von Kokain in den USA und in Europa macht es auch nicht gerade einfacher für Regierungen, sodass dieses gemeinsame, wenn auch nicht offizielle, Abkommen gefunden wurde.
ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN
Für uns als Europäer wirkt es befremdlich, Schutzgeld an Kriminelle zu zahlen, aber in Kolumbien ist dies der Preis, den die Bevölkerung durchaus bereit ist, für den Frieden zu zahlen. Auch in anderen Ländern, in denen es weitestgehend friedlich zugeht, ist Korruption geläufig. In Paraguay kommt es z. B. regelmäßig vor, dass Autofahrer angehalten werden und die Polizisten Geld für angebliche Verkehrsordnungswidrigkeiten fordern, natürlich in Bar und ohne Quittung. Gerade vor Feiertagen. Bei einem geringen Monatsgehalt von umgerechnet ca. 300 Euro findet sich Korruption leider häufig insbesondere in den Branchen, die mit Personen zu tun haben. Denn es ist die einzige Möglichkeit, um über die Runden zu kommen und den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Nicht nur für Privatreisende, auch für Unternehmen und NGOs sowie deren Belegschaft können Korruption und Schutzgeldforderungen zum Problem werden. Während für Touristen solche Begegnungen hauptsächlich ärgerlich und in wenigen Fällen wirklich angsteinflößend sind, kann es für Organisationen das Ende eines Projekts bedeuten oder gar die Mitarbeiter zur Ausreise zwingen. Genau an dieser Stelle geraten sie in eine Zwickmühle: Werden die Forderungen gezahlt und somit Kriminelle unterstützt, wird zum einen das Budget geschmälert und sie kommen evtl. moralisch in eine Bredouille. Wird das Schutzgeld nicht gezahlt, kann dies zum Projektabbruch bspw. durch Gewalt, Einschüchterungen oder willkürliche Inhaftierungen führen.
Im Zusammenhang mit illegalen Zahlungen und Machtmissbrauch müssen Schutzgeld und Korruption im Allgemeinen sowie Bestechungsgeldforderungen/Schmiergelder unterschieden werden, die nicht immer ganz klar voneinander zu trennen sind.
DIE RISIKEN VON SCHUTZGELDFORDERUNGEN
Landesbehörden haben ein Recht darauf zu erfahren, wer sich im Land befindet und welcher Zweck verfolgt wird (Tourist, Geschäftsreisender, Expat, Investor, Unternehmen, NGO etc.). Doch diese Informationen gelangen auch häufig in die Hände von kriminellen Banden, die daraus dann Profit schlagen wollen oder die die Gegend (im staatlichen Einvernehmen) sowieso „kontrollieren“. Die Auswirkungen von nicht gezahltem Schutzgeld (insbesondere, wenn Strecken des Öfteren passiert werden müssen) können direkt wirksam werden beispielsweise in Form
Auch ein längeres Festhalten oder Beschädigungen an Fahrzeugen oder Gepäck können die Folgen sein. Korrupte Beamte können Schutzgeldforderungen zum Beispiel als „Strafe“ für angebliches Fehlverhalten tarnen. Leider fällt es in der Praxis häufig schwer, den „echten“ Polizisten zu erkennen. Es ist daher weder empfehlenswert, einen offiziellen Checkpoint zu durchbrechen, noch Kriminelle mit Geld und Informationen zu versorgen. Daher sollten Organisationen, die im Ausland agieren, sich und ihre Mitarbeiter auch auf solche Ereignisse adäquat vorbereiten.
PRÄVENTION IST BESSER ALS REAKTION: DESHALB SOLLTEN STRATEGIEN ZUR RISIKOMINIMIERUNG VON SCHUTZGELDFORDERUNGEN PROAKTIV UND SO FRÜH WIE MÖGLICH AUSGEARBEITET WERDEN.
INFORMATION, NETZWERK, BEZIEHUNGEN UND EIN EFFEKTIVES SICHERHEITSMANAGEMENT SIND DAS A UND O
Als oberstes Gebot gilt, dass die Kultur des Landes geachtet werden muss und sich dies auch in den entsprechenden Vorgehensweisen und Vorgaben wiederfinden sollte. Folgende Maßnahmen können wirken, bevor Schutzgeldforderungen überhaupt entstehen:
Nach der Erkenntniseinholung, Vernetzung und den Vorbereitungen inkl. Reisesicherheits- und Notfallmaßnahmen müssen die vor Ort tätigen Mitarbeiter entsprechend gebrieft und individuell geschult werden, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Hierzu bieten sich sogenannte HEAT-TRAININGS (Hostile Environment Awareness Training) an.
UND WENN ES DOCH ZU EREIGNISSEN KOMMT (REAKTIVE MASSNAHMEN)
Es gibt kein Konzept, das Schutzgeldforderungen zu 100 % ausschließen kann. Daher ist es unerlässlich, für Betroffene Handlungsempfehlungen zu entwerfen, denn ein ruhiges und besonnenes Verhalten in Ereignissituationen ist essenziell, um die Situation bestmöglich zu bewältigen.
Im Zweifelsfall sollte der ausgehandelte Preis gezahlt werden, weil die eigene Unversehrtheit wichtiger ist als Geld. Nach einem geregelten Rückzug aus der Situation sollte ein neuer Plan entwickelt und die erwähnten Punkte erneut durchgegangen werden. Nur wenn sich die Mitarbeiter vor Ort sicher fühlen, können sie sich voll und ganz ihrer Arbeit widmen.
Dieser Artikel ist mit freundlicher Unterstützung von Inga Faust, Security Risk Manager bei FOXPEDITION medial & protection™ einem Anbieter von Sicherheitskonzeptionen für NGOs, Medienschaffende und Expeditionen, entstanden.
SCHULUNGSINHALTE VON HEAT-TRAININGS für Länder mit einem hohen Gewaltaufkommen oder Reisen in Krisengebiete
Buchung von Sicherheitsmanagement und HEAT-Trainings über FOXPEDITION möglich.