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Artikel zum Thema
Videoüberwachung: Erlaubt? Verboten? Ungewiss?

Videoüberwachung: Rechtliche Anforderungen und Grenzen im Überblick

Die Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen und nicht-öffentlichen Raum gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der Fortschritt der Technik und neue gesetzliche Regelungen stellen die Nutzer zunehmend vor neue Herausforderungen. Damit einhergehend stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine Videoüberwachungsanlage zu stellen sind, damit die Aufnahmen in einem späteren Strafermittlungsverfahren ausreichende Beweiskraft erlangen.

Der Ursprung des Einsatzes von Kameras findet sich bereits in den 50er Jahren in der Verkehrsbeobachtung und später auch der Verkehrslenkung. Mit der Beobachtung von Versammlungen und der Möglichkeit der Strafverfolgung Beweislast) hielt die Videoüberwachung immer mehr Einzug in die Polizeiarbeit.

Heute und auch zukünftig wird die Videoüberwachung immer mehr ein Instrument der Sicherheitsstrategie in Unternehmen und Organisationen, um mit Hilfe von intelligenten Systemen (Mustererkennung) präventiv tätig werden zu können. Mit dem zunehmenden Einsatz solcher Technik wurden rechtliche Anforderungen geschaffen, die die Akzeptanz verbessern sollen und einen gesetzlichen Rahmen (Schutz) schaffen sollen.

VIDEOÜBERWACHUNG UND DATENSCHUTZ (INTERESSENABWÄGUNG)
EU-DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG (DSGVO)
Das Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 hat die Bevölkerung für Datenschutzthemen wachgerüttelt und führt auch im Bereich des Videokameraeinsatzes zu vielen Fragen. Die DSGVO enthält jedoch keine spezifischen Regelungen zur Videoüberwachung. Da diese einen Anwendungsvorrang vor dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hat, ist fraglich, ob und inwieweit die Regelungen des § 4 BDSG (Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume) zu beachten sind (1).

In erster Linie ist daher die Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen auf die Generalklausel des Art. 5 Abs. 1 DSGVO abzustimmen. Demnach ist die Verarbeitung rechtmäßig, soweit sie zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Die zu prüfenden Kriterien nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO entsprechen im Wesentlichen denen des BDSG. Demnach ist die Videoüberwachung nur zur Wahrung berechtigter Interessen zulässig, wenn diese erforderlich ist und zuvor eine Interessenabwägung erfolgte. Neu ist, dass unter der Wahrung berechtigter Interessen auch sog. „Drittinteressen“ fallen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Vermieter für seine Mieter die Videoüberwachung betreibt. Die Erforderlichkeitsprüfung umfasst, dass die Videoüberwachung nur dann als Maßnahme zu wählen ist, wenn weniger tiefgreifende Maßnahmen in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten nicht zum Erfolg führen. Diesen rechtlichen Anforderungen kann durch einen entsprechenden Aushang entsprochen werden.

§ 4 BDSG – VIDEOÜBERWACHUNG (§ 6 B BDSG - ALT)
Mit der Novellierung des § 6 b BDSG haben sich keine wesentlichen Änderungen ergeben. Die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Bereichen (z. B. Tankstellen, Cafés, Shoppingcenter, Hotelfoyers etc.) darf durch öffentliche Stellen des Bundes und nicht-öffentliche Stellen durchgeführt werden. Bei diesen Orten handelt es sich um Räume, die öffentlich zugänglich sind, dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder durch einen unbestimmten Personenkreis betreten werden dürfen. Die Videoüberwachung muss zur Aufgabenerfüllung dienen und zur Wahrung des Hausrechts oder anderer berechtigter Interessen erforderlich sein. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch textliche Hinweisschilder oder Symbole kenntlich zu machen. Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind.

VIDEOÜBERWACHUNG DURCH SICHERHEITSBEHÖRDEN
Die Videoüberwachung zur Strafverfolgung ist nach § 100 c StPO ohne Wissen des Betroffenen rechtlich zulässig. Allerdings nur, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Täters auf andere Weise wenig Erfolg versprechend oder erschwert wäre und sich bestimmte Tatsachen auf eine im Gesetz genannte schwere Straftat begründen.

Im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen dürfen z. B. nach §§ 12 a, 19 a Versammlungsgesetz Bildaufnahmen angefertigt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Die Gefahrenabwehrgesetze der Länder sehen darüber hinaus weitergehende Regelungen zur Videoüberwachung vor (2).

ANFORDERUNGEN AN DIE VIDEOÜBERWACHUNG UND DEREN BEWEISKRAFT
Der Literatur und der Rechtsprechung sind weitestgehend keine Hinweise zu entnehmen, die Aussagen zu den technischen Anforderungen einer Videoüberwachungsanlage treffen, damit diese Bilder auch im späteren Strafermittlungsverfahren als Beweismittel geeignet sind. Anders stellt sich dies in gerichtlichen Urteilen zu Verkehrsordnungswidrigkeiten dar. Demnach muss das Gericht durch die Inaugenscheinnahme der Aufnahme und des Betroffenen zu dem Ergebnis kommen, dass es sich zweifelsfrei um dieselbe Person handelt. Entscheidend ist hierbei die Qualität der Aufnahme, insbesondere der Kontrast, die Schärfe und die Frontansicht der Person (3). Diese Aussage deckt sich auch mit den Erfahrungen der Strafverfolgungsbehörden. Diese stellen hinsichtlich der Anforderungen auf die Identifikation der Person ab. Also dem zweifelsfreien Erkennen des Täters. Weiterhin muss technisch gewährleistet sein, dass die Aufnahmen nicht zu einem späteren Zeitpunkt verfälscht wurden (Originalität). Darüber hinaus sind die Gesamtumstände der Videoüberwachung relevant, wie das Urteil vom Amtsgericht Castrop-Rauxel zeigt. Der Frontansicht der Person sollte durch einen geringen Neigungswinkel der Kamera Rechnung getragen werden, um Verzerrungen zu vermeiden. Zu beachten sind hierbei auch die Lichtverhältnisse, um Schattenbildungen weitestgehend auszuschließen. Daher sollte der Überwachungsbereich stets gut ausgeleuchtet sein.

Aus der DSGVO ergeben sich neben den RECHTMÄSSIGKEITSANFORDERUNGEN auch weitergehende INFORMATIONSPFLICHTEN.
Die verantwortliche Stelle hat folgende Mindestanforderungen zu beachten:
  • Information über den Umstand der Beobachtung durch Hinweisschilder,
  • Name und Kontaktdaten der für die Videoüberwachung verantwortlichen Person,
  • Hinweis zu dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten,
  • Rechtsgrundlage der Videoüberwachung und Zweck sowie Erläuterung des berechtigten Interesses,
  • Dauer der Speicherung der Daten sowie
  • weitergehende Informationen zum Auskunfts- und Beschwerderecht sowie dem Empfänger der Daten.

DASHCAMS
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage befasst, ob die fortlaufende Aufzeichnung einer Dashcam, die den Verkehrsraum dauerhaft anlassunabhängig aufnimmt, als Beweismittel zulässig sei. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass eine anlasslose dauerhafte Aufzeichnung des Verkehrsraums gegen § 4 BDSG a.F. verstoße, da dies insbesondere auch technisch vermeidbar wäre. Hinsichtlich der Verwertbarkeit in einem Zivilprozess führte der BGH aus, dass die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung nicht auch automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Vielmehr sei eine Abwägung der Interessen des Klägers und des Beklagten vorzunehmen, so dass zumindest eine Inaugenscheinnahme der Aufnahme durch das Gericht zulässig sei (4).

AUSSAGEN ZU EINSATZMÖGLICHKEITEN
VIDEOKAMERA-ATTRAPPEN SIND UNZULÄSSIG
Attrappen, auch wenn sie tatsächlich keine Videoüberwachung darstellen, sind rechtlich unzulässig. Sie stellen einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zur Abwehr von Gefahren auch weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Denn ein Eingriff liegt nicht nur dann vor, wenn tatsächlich eine Überwachung erfolgt, sondern auch dann, wenn Dritte eine Überwachung bereits ernsthaft befürchten müssen. Es kann dadurch ein Überwachungsdruck und somit auch eine Befangenheit des Verhaltens eintreten (5).

VIDEOÜBERWACHUNG AM ARBEITSPLATZ - INTERESSENABWÄGUNG
Bei der Überwachung am Arbeitsplatz ist das schutzwürdige Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gegenüber dem Interesse des Unternehmers abzuwägen (6).

Die Gewichtung und Abwägung ist in erster Linie von dem Zweck anhängig. Das Interesse des Arbeitgebers überwiegt in der Regel, wenn die Videoüberwachung der Gefahrenabwehr oder der Zugangskontrolle dient (7). Die Überwachung sensibler Bereiche sowie mit dem Ziel der Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist grundsätzlich unzulässig, da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegt (8). Sofern die Mitaufzeichnung des Arbeitnehmers nur eine Nebenfolge darstellt, ist die Videoüberwachung zulässig. In jedem Fall ist im Vorfeld der Zweck der Videoüberwachung festzulegen.

INTELLIGENTE VIDEOÜBERWACHUNG ALS ZUKUNFTSTECHNOLOGIE
Die intelligente Videoüberwachung gleicht die Gesichter von Personen, die in einem gekennzeichneten Bereich erfasst werden, mit Lichtbildern von Personen ab, die in einer Datenbank gespeichert sind. Dadurch sollen Übereinstimmungen festgestellt werden (automatisierte Gesichtserkennung). Des Weiteren werden im Zuge der intelligenten Videoanalyse bestimmte Verhaltensmuster ausgewertet (wie z. B. liegengelassene Gegenstände, Personenströme etc.).

ANFORDERUNGEN AN VIDEOÜBERWACHUNGSSYSTEME
Weitere Hinweise zu den Anforderungen an ein Videoüberwachungssystem sind dem Leitfaden des BSI zur „IT-Forensik“ zu entnehmen. Dieser führt unter anderem aus, dass an eine forensische Untersuchung besondere Anforderungen an die Integrität der Daten und somit ihrer Sicherung gestellt werden. Sichergestellte Spuren dürfen durch die Untersuchung nicht unbemerkt verändert worden sein. Die Sicherung der Integrität digitaler Beweise muss jederzeit belegbar sein. Es muss sichergestellt werden, dass zu jedem Zeitpunkt beginnend mit der Erfassung der digitalen Beweisspuren ein potentieller Missbrauch beziehungsweise eine Verfälschung nachgewiesen werden kann (9).

MINDESTANFORDERUNGEN AN DEN EINSATZ VON VIDEOÜBERWACHUNGSTECHNIK
Für eine optimale Zielerreichung der Videoüberwachungsanlage sind folgende Vorgaben einzuhalten:
  • Weitestgehend lückenlose Überwachung.
  • Begrenzung der Überwachungsbereiche der einzelnen Kameras aus technischen und datenschutzrechtlichen Gründen.
  • Einsatz von Kameras mit der Möglichkeit zum Schwenken, Neigen und Zoomen.
  • Bildaufzeichnung der Videobilder mit voller Auflösung.
  • Hohe Bildfolgerate, angemessene Bildqualität und geeignete Steuerfunktionen.
  • Einsatz von hochauflösenden Kameras (z. B. Megapixel-Kameras) gemäß dem Stand der Technik.
  • Gute Bildqualität auch bei ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen.
  • Automatische Bildverarbeitung (z. B. Anpassung an Licht- und Entfernungsveränderungen).
  • Möglichkeit der kontinuierlichen Aufzeichnung.
  • Ausbau- und Integrationsfähigkeit.
  • Langzeitzuverlässigkeit.

Bei der Projektierung, der Installation sowie dem Betrieb der Videoüberwachungsanlage sollte der jeweilige „Stand der Technik“ zugrunde gelegt und eingehalten werden (10). Für den Bereich der Videoüberwachungstechnik sind daher insbesondere folgende europäische und nationale Normen sowie Richtlinien in der jeweils neuesten veröffentlichten Fassung zu beachten:
  • DIN EN 50132 (CCTV-Überwachungsanlagen für Sicherheitsanwendungen).
  • VdS 2364 (VdS Richtlinie für Videoüberwachungsanlagen – Systemanforderungen).
  • VdS 2366 (VdS Richtlinie für Videoüberwachungsanlagen – Planung und Einbau).
Die Planung und Installation der Videoüberwachungsanlage sollte durch einen VdS-anerkannten Errichter erfolgen.

KRITISCHE UND ABSCHLIESSENDE BETRACHTUNG DER VIDEOÜBERWACHUNG (11)
  1. Eine lückenlose und vollständige Videoüberwachung ist meist nicht möglich. Potentielle Täter werden verdrängt und weichen auf unbeobachtete Bereiche aus.
  2. Die Detektion von Fehlalarmen und deren Intervention können Sicherheitsrisiken auslösen.
  3. Videoüberwachung kann zu einem trügerischen Sicherheitsgefühl führen, wenn kein ausreichendes Interventionspersonal zur Verfügung steht und/oder die Videoüberwachung nicht durch qualifiziertes Personal permanent betreut wird.
  4. Die Beweiskraft ist aufgrund eventueller Manipulationsmöglichkeiten begrenzt oder fragwürdig.
  5. Hilfeleistungen unterbleiben, da feststellende Personen auf die Unterstützung und das Handeln professioneller Sicherheitsdienste und -behörden vertrauen.

Die Inhalte des Artikels wurden von Prof. Marcel Kuhlmey (Professor für Risiko- und Krisenmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) und Heike Nagora (Ausbildungsleiterin im Polizeivollzugsdienst an der Polizeiakademie Berlin) recherchiert und freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Quellenangabe:
1 vgl. DSK (2018). Videoüberwachung nach der Datenschutzgrundverordnung, Kurzpapier Nr. 15, Verlag o. A.., S.1
2 vgl. Zilkens, Martin (2007). Videoüberwachung, eine rechtliche Bestandsaufnahme, in: DuD 31 (2007), S. 279
3 vgl. AG Castrop-Rauxel. Urteil vom 22. Januar 2016 – 6 Owi 200/15-, juris, S. 2
4 vgl. Kunkel | Kunkel, jurisPR-Compl 4/2018 Anm. 4, S. 2 ff.
5 vgl. WuM 2018, 654-656
6 vgl. Jerchel, Kerstin / Schubert, Jens (2015). Videoüberwachung am Arbeitsplatz – eine Grenzziehung, in: DuD 3 (2015), S. 151
7 vgl. Zilkens, Martin (2007). Videoüberwachung, eine rechtliche Bestandsaufnahme, in: DuD 31 (2007), S. 283
8 vgl. BAG, Beschluss vom 29.06.2004, AZ 1 ABR 21/03, DUD 2004 747
9 vgl. BSI (2008). Leitfaden „IT-Forensik“, Version 1.0.1 (März 2011), Verlag o. A., S. 23
10 vgl. Welzbacher, Sebastian (2012). Planung eines Videoüberwachungssystems, Diplomica Verlag, Hamburg, S. 4 ff.

11 vgl. www.datenschutzbeauftragter-online.de, 10.12.2018
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